Ich möchte einmal ein Thema zur Diskussion stellen, das uns alle angeht. Ein Thema was auch mir schon viele Jahre unter den Nägeln brennt. Aus Zeitmangel zitiere ich hierbei Passagen aus dem Newsletter der Fotowerkstatt-belz.de und dem bpp - mitgliederstärkste Organisation im Bereich der gewerblichen Fotografie:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
manchmal bedarf es nur einer Kleinigkeit, damit sich lange aufgestauter Frust entlädt.
So ein Moment hat es anscheinend am vergangenen Freitag, den 13. März 2015, bei der Ausstrahlung des Fernsehfilms "Goldenes Handwerk - Reiche Kammern: Vetternwirtschaft und Verschwendung ..." auf 3sat gegeben, indem die Willkür, Verschwendungssucht und Misswirtschaft von Handwerks-, und Industrie- und Handelskammern angeprangert wurden.
Es lohnt sich wirklich, diesen Film, auch wenn er 45 Minuten dauert, anzusehen.
"Goldenes Handwerd - Reiche Kammern: Vetternwirtschaft und Verschwendung ..."
Die Erstausstrahlung vor gut einem Jahr im WDR ist den meisten nicht besonders aufgefallen, aber zu dieser erneuten Ausstrahlung gab es wohl im Vorfeld verschiedene Hinweise in Internetforen, die umgehend nach der Ausstrahlung zu Reaktionen geführt haben, speziell bei vielen Fotografen.
Bei denen und im Besonderen bei den Fotografen, die durch eine Pflichtmitgliedschaft (viele nennen es inzwischen auch Zwangsmitgliedschaft) bei den Handwerkskammern gelistet sind, die jährlich brav ihre teilweise erheblich hohen Mitgliedschaftsbeiträge bezahlen müssen, rumort es schon seit einigen Jahren heftig.
Warum für etwas bezahlen müssen, wovon man keinen Nutzen hat?
Seit dem Jahr 2004, dem Ende der Meisterpflicht und Aufhebung der Zulassungsbeschränkung für diesen Handwerksberuf, stehen viele Berufsfotografen, bedingt durch die explosionsartige Zunahme der Selbstständigkeiten in ihrem Beruf, "mit dem Rücken zur Wand".
Verstärkt auch durch die Digitalisierung des Berufs, die Möglichkeit, im Internet und speziell auch bei den sozialen Netzwerken aktiv und präsent zu sein, versuchen immer mehr Menschen, durch ihr "Hobby Fotografie" Geld zu verdienen. Im Prinzip ist das auch gar nicht verwerflich, schließlich regelt der Markt alleine, wer überlebt und wer nicht.
Das Problem der Handwerksfotografen ist hierbei allerdings, dass sie Vergleich zu anderen in diesem Beruf tätigen Fotografen, teilweise extrem benachteiligt werden. So müssen sie an Handwerkskammern Pflichtbeiträge bezahlen, für eine Mitgliedschaft/für Leistungen, die sie gar nicht mehr brauchen oder für sich nutzen können.
Die Hauptargumentationsgründe, die die HWKs immer ins Feld führen, sind duale Ausbildungssystem und der Meisterbrief, der früher auch für die Fotografen das alleinige Recht auf die selbstständige Ausübung des Berufs bedeutete. Doch sowohl das duale System und der Meisterbrief sind nicht mehr Pflicht und werden nur noch von wenigen in Anspruch genommen. Man braucht heute weder eine Ausbildung noch einen Meisterbrief, um als Fotograf diesen Beruf ausüben zu dürfen, selbst wenn man dazu keinerlei Talent hat.
Nur etwa 50 % der geschätzten 30.000 inzwischen in Deutschland selbstständigen Fotografen sind noch Pflichtmitglieder in einer HWK.
Künstlerisch tätige Fotografen, Fotodesigner, journalistisch arbeitende Fotografen und sonstige Freiberufler sind generell von dieser Pflicht ausgenommen und haben hierdurch bereits einen erheblichen Wettbewerbsvorteil.
Des Weiteren kann man heute mit ein bisschen Wissen und Cleverness dem Zugriff einer Handwerkskammer auf den eigenen Geldbeutel bei der Gründung seiner Selbstständigkeit entgehen. So genügt z. B. eine einfache Bitte beim Finanzamt, um die Erteilung einer Steuernummer, ohne die sonst üblichen Gewerbeanmeldung und schwupps ... kann man als Fotograf loslegen.
Auch die Anmeldung über ein Gewerbeamt bedeutet nicht zwangsweise, dass man einer Handwerkskammer zugeführt wird-wenn man als Antragssteller clever ist.
Bleiben also die "Dummen" übrig, die noch in einer Handwerkskammer Mitglied sind. Diese haben dann neben den Jahresbeiträgen, je nach Kammer, auch noch häufig Umlagen für die Ausbildung zu entrichten, egal ob sie nun selbst ausbilden oder nicht. Dabei sinkt die Anzahl der ausgebildeten Fotografen und Meister immer weiter, Ausbildungszentren werden geschlossen, die zu zahlenden Umlagen aber steigen bald in astronomische Höhen.
Aber einfach die Kammer verlassen, die Mitgliedschaft kündigen, das darf und kann man nicht. So eine Mitgliedschaft ist eben ein "Bund fürs Leben".
Viele Fotografen werfen auch zu Recht ihren Kammern vor, ihre Interessen nicht oder in nicht ausreichendem Maße zu vertreten. Geforderte Maßnahmen gegen die immer mehr überhandnehmende Schwarzarbeit, beziehungsweise deren Bekämpfung werden weitestgehend ignoriert. So hat sich bei mir erst vor wenigen Tagen ein Fotograf aus Süddeutschland gemeldet, der, nach eigenen Angaben, in seinem Landkreis 700! Schwarzarbeiter angeblich nach mühevoller Recherche im Web/bei facebook identifiziert hatte. Als er dann mit seinen Unterlagen zu seiner HWK gegangen ist, dies anzuzeigen, einfach nur, um Hilfe zu bitten, wurde er mit dem lapidaren Hinweis, man habe für "so was" keine Zeit und kein Personal, wieder nach Haus geschickt.
Ebenso auf taube Ohren stößt man, wenn Mitglieder ihre Kammern auffordern, politisch aktiv zu werden, die steuerlichen Ungerechtigkeiten und Wettbewerbsverzerrungen zwischen künstlerisch agierenden Fotografen, freien Fotografen und Gewerbefotografen zu beseitigen oder etwas zu tun gegen die überhandnehmende Zahl von nebenberuflich - eher freizeitmäßig arbeitenden Fotografen, von denen viele (aber nicht alle!) häufig völlig unprofessionell agieren.
Ein Beispiel:
Ein Fotograf, der als freier oder künstlerischer Fotograf arbeitet, Mitglied in der Künstlersozialkasse ist, dabei vielleicht auch handwerklich, gewerblich Aufträge annimmt (was er eigentlich nicht darf), spart gegenüber einem Handwerksfotografen ca. 5.000,- bis 10.000,- EUR jährlich an Beiträgen, Abgaben, Steuern, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträgen - JÄHRLICH! ... macht nach 30 Berufsjahren ...?!!!
Nein, nicht, dass wir uns jetzt falsch verstehen: Ich gönne diesem Kollegen das von Herzen - aber wir beide machen den gleichen Job und ich möchte genau die gleichen Vorteile/Bedingungen für meine Arbeit in Anspruch nehmen!
Die meisten Kammern tun nichts, aber auch gar nichts, um die wirtschaftlichen und politischen Interessen ihrer Mitglieder, der Berufsfotografen, zu schützen oder diese zu verbessern - im Gegenteil:
Seit 2010 gibt es immer wieder Handwerkskammern, die Weiterbildungsseminare für anderer Handwerker anbieten, um diesen auf solchen Seminaren fotografische Grundkenntnisse beizubringen, die sie dann in der Lage versetzen sollen, die notwendigen Aufnahmen ihrer Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsräume für die Präsentation im Internet selbst zu machen, um sich so den Gang zum Handwerkskollegen Fotograf zu sparen.
Schon im Jahr 2010 schrieben deshalb der CV und der bpp an den Hauptgeschäftsführer des ZDH in Berlin, mit dem Ergebnis? ... dass auch in den Jahren danach solche "Weiterbildungskurse" zu Lasten der Berufsfotografen von verschiedenen HWKs weiter angeboten wurden. (siehe folgende Grafik „Kursangebot“ der HWK Lübeck vom Juni 2013)
Jetzt aber scheint der Zeitpunkt für viele Fotografen erreicht zu sein, die dies alles nicht mehr akzeptieren wollen.
Die Besonderheit der Strukturen des Fotografenberufs, auch was die verschiedenen Möglichkeiten zur Erlangung der Selbstständigkeit angehen, sind mit keinem anderen Handwerksberuf vergleichbar.
Auch bedingt durch die technologisch, kreative und wirtschaftliche Entwicklung ist Fotografie schon lange kein Handwerksberuf mehr und somit gibt es auch keine Berechtigung mehr für eine "Zwangsmitgliedschaft" in einer HWK, die die wesentlichen Leistungen ihrer Daseinsberechtigung nicht mehr erbringt und sich nicht für die Interessen ihrer Mitglieder einsetzt, sondern sogar gegen diese Interessen verstößt.
Nach teilweise heftigen Reaktionen nach der Aussendung des obigen Fernsehberichts, im Internet, entschloss sich der bund professioneller portraitfotografen (bpp), die inzwischen mitgliederstärkste Organisation im Bereich der gewerblichen Fotografie, zu handeln:
Auf Facebook veröffentlicht und an die Mitglieder versandt wurde eine OFFIZIELLE STELLUNGNAHME zu diesem Fernsehbericht, verbunden mit der Aufforderung an die Mitglieder von ihren HWKs eine Stellungnahme zu fordern.
Die Erklärung des bpp enhält eine Reihe verschiedener Forderungen:
Die wichtigste Forderung hierbei ist die Umwandlung der bisherigen Pflichtmitgliedschaft bei einer Handwerkskammer hin zu einer freiwilligen Mitgliedschaft.
Diese Erklärung wurde inzwischen hundertfach auf Facebook geteilt.
https://www.facebook.com/bundprofessionellerportraitfotografen
https://www.facebook.com/belzkornfeldbpp.geschaftsstelle/posts
Bei den Facebook Seiten verschiedener Handwerkskammern meldeten sich inzwischen viele Fotografen mit der Forderung zu einer Stellungnahme. Die wurden teilweise mit eher 08/15 Darstellungen beantwortet, teilweise ignoriert oder arrogant abgelehnt. Aber es gibt auch auf verschiedenen Facebook Seiten der Kammern inzwischen heftige Diskussionen wie zum Beispiel hier:
https://www.facebook.com/hwk.koeln/post
Hier findet man die Facebook-Seiten der Handwerkskammern: Alle Handwerkskammern auf facebook gelistet
Weiterhin tauchen immer mehr Vorwürfe und Kommentare zu dem Fernsehbericht über Versäumnisse und Misswirtschaft der Kammern im Netz auf:
Hier ein Artikel vom 15.09.2014 im Kölner Stadt-Anzeiger mit dem Titel
"Rechnungshof Köln: Die Handwerkskammer im Visier"
Was aber die meisten Fotografen inzwischen richtig auf die Palme bringt, ist die oft ungerechte, desinteressierte, ja auch abweisende und arrogante Art, wie ihre Anliegen und Beschwerden behandelt werden.
Die meisten Fotografen haben inzwischen das Gefühl, viel Geld für NICHTS auszugeben oder, wie ein Fotograf postete: "... von der eigenen Kammer werde ich nur noch verar.... ".
Ob dieser, im Moment noch kleiner, Aufstand gegen die Pflichtmitgliedschaft zu einer Änderung des Systems, zumindest für die benachteiligten Fotografen führen wird, hängt letztlich aber auch von den Fotografen selbst ab, inwieweit sie sich nun auch öffentlich, kritisch zu ihren Kammern äußern und die Aufhebung dieser schon lange nicht mehr für sie zeitgemäßen "Zwangsmitgliedschaft" lautstark verlangen.
Denn, wer nichts fordert, der bekommt auch nichts.
Die Devise lautet deshalb für viele Handwerksfotografen hierbei inzwischen : entweder alle in die HWK oder keiner.
Wobei dazu zu sagen ist: ALLE wird es nicht mehr geben - also heißt es letztendlich - KEINER mehr.
Mit kollegialen Grüßen,
Michael Belz, Wolfgang Kornfeld
FotoWerkstatt GbR
Offizielle Stellungnahme des bpp im Wortlaut:
Nach der skandalösen Fersehdokumentation auf 3sat: "Goldenes Handwerk - Reiche Kammern: Vetternwirtschaft und Verschwendung bei den Wirtschaftskammern" gibt es massive Kritik an den Handwerkskammern - so forden u.a. viele Berufsfotografen den Ausstieg aus dem Kammersystam und das sofortige Ende der Pflichtmitgiedschaft.
Die Handwerkskammern in Deutschland vertreten schon lange nicht mehr die Interessen ihrer Mitglieder und schon gar nicht mehr die der dort zur Mitgliedschaft verpflichteten Berufsfotografen!
So wurden in den letzten Jahren durch die Kammern z.B. Weiterbildungsseminare für Handwerker im Bereich Fotografie angeboten, damit diese ihre Bilder für ihren eigenen Werbeauftritt selbst machen können, um somit auf die Leistungen der Handwerkskollegen "Fotografen" verzichten zu können.
Obwohl die Anzahl der auszubildenen Fotografen im Handwerk seit Jahren dramatisch rückläufig ist (auch durch völlig untaugliche Ausbildungsverordnungen), steigen die Umlagen hierfür, die von ALLEN (!) per Pflichtmitgliedschaft eingetragenen Fotografen an die Kammern zu entrichten sind, ins Unbezahlbare.
Anzeigen gegen die immer größer werdende Schwarzarbeit, die von Kammermitgliedern vorgebracht werden, gehen die meisten Kammern überhaupt nicht mehr nach, lehnen sogar die Überprüfung der Anzeigen ab.
Politische Forderungen von Berufsorganisationen und auch Innungen, den unkontrollierten Zuwachs an qualitativ untauglichen Fotografen, die durch die Möglichkeit der nebenberuflichen Tätigkeit zu tausenden in den Beruf strömen, entgegen zu wirken, diese wenigstens durch Aufklärungsarbeit über die Risiken einer Teil-Selbstständigkeit in dem Beruf zu informieren, werden ignoriert.
Bei Gestzesänderungen zum Nachteil der Mitglieder bleiben die Kammern inaktiv. Wettbewerbsverzerrungen, z.B. durch die unterschiedliche Praxis beim Umsatzsteuerrecht, die die Mitglieder ertragen müssen, interessieren die Kammern nicht.
Juristische Beratungen durch die Kammern z.B. beim Urheberrecht können mit einer Falschberatung enden oder werden nicht selten mit dem dem lapidaren Hinweis abgewiesen:
"Keine Ahnung, wenden Sie sich an einen Fachanwalt!"
Spezifische, für die jeweiligen Berufsstand, notwendige und erforderliche Informations-/ Weiterbildungsmaßnahmen werden, was die Berufsfotografie angeht, nicht angeboten.
Anfragen und Forderungen nach mehr Transparenz, was mit den Mitgliedsbeiträgen geschieht, wer das Finanzgebaren der Kammern kontrolliert, warum die Öffentlichkeit bei wichtigen Entscheidungen ausgesperrt wird, werden nicht oder nur ausweichend beantwortet (siehe Fernsehbericht).
Fast jeder Fotograf, der in Deutschland selbstständig mit Fotografie sein Geld verdient, ist per Gesetz verpflichtet, Mitglied einer HWK zu werden und hohe jährliche Pflichtbeiträge zu entrichten. Der Nutzen, der sich aus dieser Mitglieschaft für einen Berufsfotografen ergibt, ist den meisten Fotografen nicht mehr ersichtlich/vermittelbar.
Im Gegenteil: zunehmend verteten die Kammern nicht mehr die Interessen und Anliegen der Berufsfotografie - schlimmer noch, sie arbeiten gegen die eigenen Mitglieder.
Fotografen, die sich weigern, aus diesen oder anderen, nachvollziehbaren Gründen, ihre Mitgliedsbeiträge zu entrichten, droht der Entzug der Gewerbeerlaubnis, was einem Berufsverbot gleich kommt.
Der bund professioneller portraitfotografen (bpp) fordert deshalb:
a. die sofortige Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft für Berufsfotografen bei den Handwerkskammern, wobei eine freiwillige Mitgliedschaft möglich sein kann.
b. eine einheitliche, gesetzliche Regelung für den Zugang zum Beruf, egal, ob die fotografische Tätigkeit handwerklicher oder künstlerischer Art ist.
c. eine Abschaffung, zumindest aber eine starke Einschränkung der Möglichkeiten, zur nebenberuflichen Tätigkeit im Arbeitsfeld der Berufsfotografie - dies gilt ebenso für die Zulassung eines Kleingewerbes.
d. die Gleichbehandlung aller Berufsfotografen bei Steuern und Abgaben.
e. eine staatliche Anerkennung/Zulassung von Ausbildungskonzepten neben dem dualen Ausbildungssystem, die von privaten Anbietern oder den Berufsorganisationen in eigener Regie angeboten und durchgeführt werden.
f. eine einheitliche Anerkennung von Qualifikations- und Zertifizierungsmaßnahmen, die auschließlich von den Berufsorganisationen angeboten, durchgeführt und vergeben werden können.